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Titel
Weinbergtulpe und Klebrige Salbei - der Duftgarten in Rodersdorf Autor/in Peter Steiger veröffentlicht September 2025 (NaturGarten 02) © NaturGarten Schweiz 2025 |
Rodersdorf liegt ganz am Ende der längsten Tramlinie Mitteleuropas, die sich von Dornach-Arlesheim über die Stadt Basel bis ins hintere Leimental windet, wo sich die Gemeinde Rodersdorf vom solothurnischen Jura wie eine Zunge ins elsässische Sundgau schiebt. Kommt das Tram nach Durchquerung der elsässischen Gemeinde Leymen schliesslich in Rodersdorf zum Stehen, wird der Besucher von einem ganz ungewöhnlichen Garten empfangen, der sich innerhalb der ovalen Tramwendeschlaufe und darum herum über eine Fläche von ca. 1500 m2 ausbreitet. Besitzer der Anlage ist die Basel-Landschaft Transport AG BLT, gepflegt wird er durch den Verein Duftgarten Rodersdorf.
Spontanidee Im europäischen Naturschutzjahr 1995 wälzten Reto Locher, Gründer der Stiftung Natur und Wirtschaft, der Biologe Reto Suter und der mittlerweile in Rodersdorf lebende Landschaftsarchitekt Peter Steiger bei einem Glas Wein die Idee, ob man die langweilige Rasenfläche in der Tramschlaufe nicht in einen attraktiven Duftgarten umwandeln könnte. Die Landbesitzerin gab grünes Licht unter der Auflage, dass der Duftgarten von den Verantwortlichen in Freiwilligenarbeit selbständig gepflegt würde. Schnell wurden engagierte Helfer und bescheidene Spendengelder gefunden. Auch das damalige BUWAL (BAFU) unterstützte das Projekt im Rahmen des Naturschutzjahres mit der Auflage eines Schwergewichtes an heimischen, standortgerechten Pflanzen. Dieser zentrale Eckpfeiler der Bepflanzung ist bis heute geblieben und bietet unter anderem Lebensraum für zwei bedrohte Schmetterlingsarten. Neubau 2022 musste die Tramwendeschlaufe aus technischen Gründen vollständig umgebaut werden und der Duftgarten konnte von Grund auf neu gestaltet werden, wobei fast alle der mittlerweile stattlichen Gehölze und Wildstauden umgepflanzt und ergänzt werden konnten. Durch unterschiedliche Humusierung und beschattende Gehölzpflanzungen wurden im Duftgarten bewusst differenzierte Lebensbereiche geschaffen. Entsprechend der grossen Vielfalt an blattaromatischen und blütenduftenden Pflanzen auf Trockenstandorten und Steppenbereichen ist ein grösserer Teil der Anlage in Jurakalksplitt ausgeführt, was auch der Lage am Nordrand des Juras, dem eher trockenwarmen Klima des Basler Beckens und den extensiven Pflegemöglichkeiten gut entspricht. Gepflegt wird der Garten von treuen Helfer/innen und gespeist mit einem bescheidenen Vereinsbudget von Mitgliederbeiträgen. Gemeinde und BLT leisten einen kleinen zusätzlichen Beitrag. Die Umbaukosten hat die BLT übernommen. Wildstaudenfest Im Zuge des Umbaus konnten zwei vormals monotone Wiesenböschungen neu mit standortheimischen Wildstauden und Gehölzen bepflanzt werden und bieten jetzt einen ästhetischen wie biodiversen Reichtum. Im Gegensatz zum zentralen Gartenbereich, wo auch nicht heimische Duft- und Aromapflanzen erblühen, gedeihen hier ausschliesslich standorttypische Wildpflanzen. Rund 150 verschiedene Arten von Wildstauden wachsen an den lehmreichen, meist halbschattigen Böschungen. Grossflächig fleckig gepflanzte Leitstauden sind die spätblühende Klebrige Salbei Salvia glutinosa, Strauss-Margerite Tanacetum corymbosum, Rote Lichtnelke Silene dioica, Wiesen-, Skabiosen und Berg-Flockenblume Centaurea jacea, scabiosa und montana, Nesselblättrige und Acker-Glockenblume Campanula trachelium und rapunculoides, Odermennig Agrimonia eupatoria, Pyrenäen-, Brauner und Blutroter Storchschnabel Geranium pyrenaicum, phaeum und sanguineum, Sigmarswurz Malva alcea, Ochsenauge Buphthalmum salicifolium oder Teufelsabbiss Succisa pratensis. An Strassenrändern und um das Hundeklo wachsen besonders robuste und nährstoffaffine Stauden wie Herzgespann Leonurus cardiaca, Schwarznessel Ballota nigra, Andorn Marrubium vulgare, Wilder Dost Origanum vulgare, Wilde Malve Malva sylvestris und Wasserdost Eupatorium cannabinum. Ein besonders wechseltrockener und damit schwer besiedelbarer Mergelanriss bietet der Spargelerbse Lotus maritimus genau den richtigen Standort. Solitär in den Staudenflächen gedeihen eher kleinkronige Bäume wie Mehlbeere, Feld- und Schneeballblatt-Ahorn und Wildapfel, ergänzt durch zahlreiche standortheimische Wildsträucher. Verschiedenste Insekten, insbesondere Wildbienen und Schmetterlinge nutzen das vielfältige Blüten- und Blattangebot bereits in grosser Zahl. Einigen Arten, wie dem bedrohten Braungeränderten Ochsenauge, kommt dabei die Nähe zu extensiv genutzten Waldrändern am Jurarand zugute. Winterschmuck und Frühlingssymphonie Innerhalb des Kreisels sorgen im Kernbereich des Duftgartens wintergrüne Wildstauden, Grasartige und Farne für grünen Blattschmuck in der kalten Jahreszeit wie Stinkende Nieswurz Helleborus foetidus, Salbeiblättriger Gamander Teucrium scorodonia, Mandelblättrige Wolfsmilch Euphorbia amygdaloides, Wald-Hainsimse Luzula sylvatica, Gelappter Schildfarn Polystichum aculeatum und Hirschzunge Phyllits scolopendrium. Grossen Wert wird auf duftende Farbtupfer in blütenarmen Zeiten gelegt. Als Winterblüher gefallen verschiedene Zaubernüsse Winterblüte Winter-Schneeball und Winter-Heckenkirsche. Im Vorfrühling beleben grosse Tuffs von Frühblühern den noch winterkahlen Boden. Der Reigen beginnt mit dem leuchtend orangegelben Ankarakrokus und tiefblauer, pflaumenduftender Zwergiris. Später folgen zahlreiche Sternblütiger Wildtulpen mit Safranduft. Blau- und Milchsterne, Schneestolz, Zwiebeliris und Hyazinthen begleiten diese fast wöchentlich wechselnden Farbkompositionen, die bald von den ersten frühblühenden Stauden wie Kuhschelle Pulsatilla vulgaris, Schlüsselblumen Primula spp., Frühlings-Fingerkraut Potentilla verna und Adonisröschen Adonis vernalis abgelöst werden. Der Hohlknollige Lerchensporn Corydalis cava verbreitet im Gehölzschatten an milden Abenden seinen würzigen Zimtgeruch. Zwischen Mai und Ende Juni ändern sich die Farb- und Duftkompositionen mit hunderten von blütenduftenden und blattaromatischen Arten ständig, es ist die Zeit, in der zahlreiche Basler/innen das Drämmli besteigen, um dem Duftgarten einen Besuch abzustatten und die schönen Riegelhäuser im Dorfkern zu besichtigen. Sommerabende Abend- und nachtduftende Pflanzen wie verschiedene Ölweiden, Wald- und Etruskisches Geissblatt Lonicera periclymenum und etrusca, Seifenkraut Saponaria officinalis, Nachtkerzen, Phlox locken in milden Sommernächten eine beindruckende Zahl von Nachtfaltern an und Weinschwärmer begrüssen dann die mit dem Tram heimkehrenden Nachtschwärmer. Zahlreiche blattaromatische Stauden wie verschiedenste Arten von Wermut und Salbei, Berg- und Katzenminzen, Heiligenkraut entfalten nun ihr Blattwerk und späte Blüten. Spätlese Neben den herbstlichen Laub- und Fruchtaspekten interessieren natürlich besonders duftende Spätblüher. Unter den Sträuchern tun sich hier besonders der Sieben-Söhne-des Himmelsstrauch und die Herbst-Duftblüte hervor, oft erst im November erblüht in rosa die Kammminze. Neben dem Alpenveilchen Cyclamen europaeum entfalten auch der Goldkrokus Sternbergia lutea und der gut ausdauernde, lilablaue Prachtkrokus Crocus speciosus herbstliche Blüten. Der durch den öffentlichen Verkehr sozusagen extrem gut erschlossene Duftgarten Rodersdorf ist somit zu allen Jahreszeiten einen Besuch wert und hat deshalb auch Eingang gefunden in den Gartenreiseführer Schweiz. |
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