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Titel
Chrigu Weber - rediviva naturgarten Gespräch Felix Werner veröffentlicht November 2025 (NaturGarten 03) © NaturGarten Schweiz 2025 |
NaturGarten: Chrigu, war dein Berufsweg zum selbständigen Naturgärtner vorgezeichnet?
Chrigu Weber: In gewisser Weise schon. Als Kind waren meine Traumberufe Biologe und Naturforscher. Die Leidenschaft ist geblieben, sie führten aber nicht direkt zu meinem heutigen Beruf. Wie war dein beruflicher Werdegang? Ich habe zunächst eine Lehre als Bauzeichner in einem Ingenieurbüro gemacht und dann eine Zweitausbildung als Maurer. Da habe ich aber gemerkt, dass das für mich nicht passt. Ich habe dann meinen Zivildienst bei Pro Natura Aargau in einem Naturschutzgebiet absolviert. Das hat den Ausschlag gegeben, in die Grüne Branche zu wechseln. Ich habe zunächst als Hilfsgärtner in verschiedenen Gartenbau- und Forstunternehmen und in einem Ingenieurbüro gearbeitet und mir in der Praxis und in verschiedenen Weiterbildungen nach und nach Fachkenntnisse angeeignet. Zum naturnahen Gartenbau habe ich 2019 gefunden und 2021/22 habe ich die Ausbildung als Fachmann für naturnahen Garten- und Landschaftsbau NGL an der zhaw absolviert. Im Dezember 2023 habe ich mich dann mit meiner Firma rediviva naturgarten selbständig gemacht. Eine «Quereinsteigerkarriere» also. Empfiehlst du sie zur Nachahmung? Auf welchem Weg man zu einem Traumberuf findet, ist für mich eigentlich zweitrangig. Das kann über einen traditionellen Weg wie eine Berufslehre oder eben auch auf andere Weise geschehen. Wichtig ist, dass man eine Leidenschaft spürt und den Beruf und die Ausbildung nicht als notwendiges Übel ansieht. Ich glaube, wer sich als Quereinsteiger für eine Branche entscheidet, hat dieses «feu sacré» in den meisten Fällen und das ist eine gute Voraussetzung für Erfolg. Was fasziniert dich an Gärten und am Gartenbau? Ich bin gerne draussen in der Natur, beobachte die Pflanzen- und Tierwelt und erlebe die Jahreszeiten. Die Natur ist unfassbar vielfältig und lebendig. An der Branche fasziniert mich die Vielfältigkeit. Man arbeitet an verschiedenen Orten und jeder Garten ist individuell und einzigartig. Speziell fasziniert mich zum Beispiel die Vielfalt von kreativen Gärten in städtischen Gebieten. Ein Garten sagt viel über die Gesellschaft aus und über die Leute, die für ihn verantwortlich sind. Eine besondere Leidenschaft von mir sind essbare Wildfrüchte und Wildkräuter. Die Natur bietet eine unglaubliche Vielfalt. Es ist für mich immer ein Highlight, wenn ich Leuten etwas darüber erzählen kann, was in ihrem Garten alles wächst. Nicht selten sind sie total überrascht. Ein Beispiel ist der Gewöhnliche Giersch (Aegopodium podagraria). Das ist eine Pflanze, die weit verbreitet ist und allgemein als Unkraut gilt. Er wuchert und lässt sich wegen seiner unterirdischen Triebe nur schwer bekämpfen. Was nur wenige wissen: Giersch ist als Wildgemüse essbar und wurde schon im Altertum als Heilmittel gegen Gicht verwendet. Was hat dich gereizt, dich selbständig zu machen? Ich reisse gern Dinge an und habe viele Ideen. Als Angestellter habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich zwar oft motiviert worden bin, Ideen einzubringen, meistens konnte ich sie aber nicht umsetzen. Dann kamen oft noch andere Dinge hinzu: Man musste seine Arbeitskleidung selber beschaffen und es wurden viel Einsatz und viele Überstunden gefordert und der Lohn war oft sehr bescheiden. Man investiert viel und bekommt wenig zurück. Ich habe das als fehlende Wertschätzung empfunden. In dieser Hinsicht ist es in der Branche nicht überall gut bestellt. Betriebe, die das nicht beherzigen, werden es immer schwerer haben, gute Mitarbeitende zu halten. Als Selbständiger kann ich entschieden, welche Aufträge ich annehme, ich kann Kundinnen und Kunden für meine Ideen begeistern und schlussendlich lohnt es sich auch finanziell. Hinzu kommt, dass es gerade in meiner Region nicht viele ausgewiesene Naturgärtner/innen gibt. Die Nachfrage ist gross und die Region kann noch einige mehr gebrauchen. Wo erkennst du grosse Potenziale für die naturnahe Aufwertung von Flächen in Siedlungsgebieten? Viel Potenzial gibt es eigentlich überall, in grösseren Städten genauso wie in Dörfern. Speziell denke ich an Schulanlagen, Parkplatzflächen, Umgebungsflächen von Betrieben und an Friedhöfe. Da könnten grosse Flächen aufgewertet werden und zum Beispiel zusätzliche Lebensräume für Wildtiere geschaffen werden. Guter Wille ist vielfach vorhanden, aber es fehlt oft die fachliche Expertise. Für Wildtiere ist das fatal, wenn zum Beispiel in guter Absicht irgendwo Fledermauskästen angebracht werden, aber daneben jede Nacht Vollbeleuchtung herrscht. Oder wenn neben Verkehrsräumen ohne Schutzmassnahmen mit viel Aufwand Lebensräume für Amphibien oder Igel geschaffen werden. Gut gemeint aber faktisch ein Todesurteil für die Tiere, denen man eigentlich etwas Gutes tun will. Nachgedacht werden muss über wirksame Schutzmassnahmen wie Tierkorridore, Wildtierbrücken oder andere Massnahmen wie zum Beispiel das Einkiesen von betroffenen Strassenabschnitten. Verkehrsräume sollen nicht nur für Kinder, alte Leute, Velofahrer/innen oder den motorisierten Verkehr optimiert sein, sondern auch für die Natur. Zum Schluss eine florale Frage: Was ist Deine Lieblingspflanze? Die Frage kann ich fast nicht beantworten. Oft ist es eine neu entdeckte Pflanze, die mich fasziniert. Wenn ich heute eine nennen soll, könnte es die Stieleiche (Quercus robur) sein. Sie bietet enorm viele Lebensräume für viele Tiere, Flechten und Moose; über der Erde und noch viel mehr im Untergrund. Sie ist für mich ein hervorragendes Beispiel für die Komplexität und Faszination der Natur. Und dann nenne ich noch eine zweite Pflanze: Glockenblumen (Campanula). Sie sind eine Bereicherung für jede Umgebung und man kann beobachten, dass sie in Abendstunden oder bei trübem Wetter Wildbienen, die sich an der Staubnabe festbeissen, als Unterschlupf dienen. Das ist doch genial. |
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